Siteswap
  jonglieren.at: Theorie & Praxis: Einführung Siteswap-Notation
 
  Bernhard Neugebauer
 
         
Vorbemerkung:
     Alle im folgenden Artikel behandelten Jongliermuster sind mit Links zu animierten Darstellungen dieser Muster unterlegt.
Redaktion jonglieren.at                 

 
Was ist die Siteswap-Notation?
 
Mit der Siteswap-Notation lassen sich Jongliermuster durch eine Folge von Zahlen beschreiben.
 
Beispiele:
40 2 Bälle in einer Hand
3 3-Ball-Kaskade
51 3-Ball-Shower
53 4-Ball-Halbshower, asynchron
53444 4-Ball-Tennis

Man stelle sich jede dieser Zahlenfolgen, genannt Siteswaps, sich immer wiederholend vor, also 404040..., 33333..., 515151..., 535353... oder 5344453444...

 
Welche Muster können in Siteswap-Notation dargestellt werden?
 
Die Voraussetzung dafür, dass ein Jongliermuster in Siteswap-Notation dargestellt werden kann, ist:
In gleichmäßiger Folge werden aus den beiden Händen immer abwechselnd je ein Ball abgeworfen.
Multiplex- und Synchronmuster, ebenso wie Körperwürfe (z. B. unter dem Arm), Partnerjonglage etc. können also zunächst nicht durch Siteswaps beschrieben werden.

 
Was bedeuten die Zahlen?
 
Jede Zahl steht für den Abwurf eines Balles.
Ausnahme: 0 und 2 stehen für das Verstreichen eines Taktschlages.
 
0 kein Ball in der Hand, kein Abwurf
1 Übergeben des Balles oder flacher, schneller Wurf in die andere Hand
2 ein Ball in der Hand, der (normalerweise) nicht losgeworfen wird
3 kinnhoher Wurf in die andere Hand, entsprechend der 3-Ball-Kaskade
4 heiligenscheinhoher Wurf in die selbe Hand, entsprechend 2 Bällen in einer Hand, Säulen oder 4-Ball-Fontäne
5 stoppschildhoher Wurf in die andere Hand, entsprechend 5-Ball-Kaskade oder 3-Ball-Shower
6 basketballkorbhoher Wurf in die selbe Hand, entsprechend 3 Bällen in einer Hand
7 vogeltiefflughoher Wurf in die andere Hand, entsprechend 7-Ball-Kaskade oder 4-Ball-Shower
etc.  

Jede Zahl gibt an, um wieviel Taktschläge später der abgeworfene Ball wieder zum Abwurf bereit, also wieder gefangen sein muss.
Das Metrum der Taktschläge wird von den immer abwechselnd werfenden Händen erzeugt. 0 und 2 werden hier zur Vereinfachung auch als Würfe betrachtet.
Die Höhenangaben gelten ungefähr für das Tempo, in dem wir normalerweise 4 Bälle jonglieren. Bei langsamerem Tempo, z. B. bei einer entspannten Jonglage mit 3 Bällen, sind die Würfe höher, bei schnellerem Tempo, z. B. bei einem 3-Ball-Shower oder bei einer 5-Ball-Kaskade, sind sie niedriger. Der Jongleur kümmert sich aber weniger um die Höhe, sondern bekommt es mit einiger Übung ins Gefühl, wie stark er jeden einzelnen Ball werfen muss, damit er zum richtigen Zeitpunkt wieder ankommt.
(Es ist übrigens immer zu empfehlen, neue Muster eher langsamer und höher als schneller und niedriger zu jonglieren, da wir uns nicht Reaktionsschnelligkeit, sondern Exaktheit antrainieren möchten.)
 
Ein Beispiel: 534
Angenommen, wir fangen mit der rechten Hand an, dann führen wir hintereinander folgende Würfe aus:
5 Hoher Wurf aus der Rechten nach links
3 Niedriger Wurf (wirklich niedrig!) aus der Linken nach rechts
4 Mittelhoher Wurf aus der Rechten in die Rechte
5 Hoher Wurf aus der Linken nach rechts
3 Niedriger Wurf (wirklich, wirklich niedrig!!) aus der Rechten nach links (es handelt sich übrigens um den selben Ball, der vorhin auch mit einem 3er geworfen wurde)
4 Mittelhoher Wurf aus der Linken in die Linke
... und jetzt wieder von vorne.

 
Mit wievielen Bällen wird ein Siteswap jongliert?
 
Der Durchschnittswert entspricht der Anzahl der Bälle.
Beispiel: 441: Die Summe ist 9; geteilt durch 3 (da es 3 Würfe sind) ergibt 3. Es ist also ein 3-Ball-Muster.

 
Welche Zahlenfolgen sind jonglierbar?
 
Vor jedem Abwurf muss genau ein Ball in die Hand fliegen.
Ausnahme: bei einer 0 darf kein Ball in die Hand fliegen.
Das lässt sich ermitteln, indem man die Ankunft jedes Balls durch ein Kreuz markiert. Von jeder Zahl aus zählt man so viele Positionen ab, wie die Zahl angibt, und markiert die Position, auf der man ankommt. Es dürfen dann nicht zwei Kreuze unter der selben Position stehen.
 
jonglierbar:   nicht jonglierbar:
5 3 4 4 4 5 3 4 4 4 _ _ _ _ _   3 5 4 4 4 3 5 4 4 4 _ _ _ _ _
        x x x x x x x x x x           x     x x x     x x x  
                                            x   x     x      

 
Wie lassen sich neue Siteswaps ermitteln?
 
Probiert aus, ob Eure Telefonnummer, Postleitzahl, Hausnummer etc. jonglierbar sind!
Zielführender ist folgende Methode:
Es ergibt sich ein neues gültiges Siteswap, wenn man zu einer der Zahlen eines vorhandenen Siteswaps die Länge des Siteswaps dazuzählt oder davon abzieht. Das neue Siteswap wird dann mit einem Ball mehr oder weniger jongliert.
Beispiel:
Die 4-Ball-Fontäne 4 läßt sich auch als 444 schreiben und hat dann eine Länge von 3 Taktschlägen. Daraus kann man 441 (mit 3 Bällen) oder 744 (mit 5 Bällen) machen.

 
Wie funktioniert die Siteswap-Notation bei Keulen?
 
Es ist prinzipiell egal, ob es sich bei den abgeworfenen Objekten um Bälle, Keulen oder Ringe handelt.
Bei Keulen muss man aber noch die Zahl der Umdrehungen managen.
Normalerweise gelten folgende Entsprechungen:
 
3 Single eine Drehung
4 Double zwei Drehungen
5 Triple drei Drehungen

Eine wichtige Ausnahme hiervon ist die 5-Keulen-Kaskade, die meist in Doubles jongliert wird.

 
Woher kommt der Name Siteswap?
 
Siteswap heißt Vertauschen der Position. Das bezieht sich auf die einfachsten Siteswaps, in denen zwei Bälle, die hintereinander abgeworfen werden, in vertauschter Reihenfolge ankommen. Ein Beispiel dafür ist 53444, bei dem der 3er-Ball vor dem 5er-Ball wieder ankommt.

 
Theorie
 
Wieviele Taktschläge befindet sich jeder Ball in der Hand?
Was folgt hieraus für die Drehung von Keulen?
Wie hängen Höhe und Siteswap-Zahl zusammen?

 
Erweiterte Siteswap-Notation
 
Synchrone Muster

 
Links und Quellen
 
Verschiedene englische Einführungen, "Original Posts" und ausführliche Sammlung von Mustern
Einführung von Bruce "Boppo" Tiemann, einem der Siteswap-Pioniere, englisch und deutsch
Deutsche Einführung von Mark "Schani" Probst
Englische Einführung von Greg Phillips, auch ins Deutsche übersetzt
Deutsche Einführung von Gerd Balser
Weitere Links (unter Jongliertheorie und Siteswap)
Jonglieranimation mit Eingabe in Echtzeit

 
Einige interessante Siteswaps
 
Die mit (3...), (4...) und (5...) gekennzeichneten Siteswaps haben die Eigenschaft, dass die Bälle alle hintereinander ankommen, und dass sie somit in das Grundmuster integriert werden können oder mit beliebig vielen 3er, 4er bzw. 5er-Würfen kombiniert werden können.
Beispielsweise der Halbshower mit 4 Bällen: 53
lässt sich in das Grundmuster integrieren: ...44444534444...
und ebenso jonglieren als 53, 534, 5344 und 53444.
 
2 Bälle
  40 (2 in einer Hand); 31 (2-Ball-Shower); 312; 411; 330 (2-Ball-Vorübung für die 3-Ball-Kaskade); 4130; 501
3 Bälle
  3 (3-Ball-Kaskade); 51 (3-Ball-Shower); 441(3...); 4440(3...); 60 (3 in einer Hand); 42(3...); 531(3...); 504; 55500(3...) (Flash); 50505 (Schlange); 7131 (Hoch-tief-Shower); 713151 (Hoch-tief-mittel-Shower); 70701; 73131(3...); 12345; 31416 (Pi); 45141; 5241(3...); 612; 63501(3...); 6316131; 711; 801; 8040 (Hoch-tief-3-in-einer-Hand)
4 Bälle
  4 (4-Ball-Fontäne); 53(4...) (Halbshower); 633(4...); 7333(4...); 55550(3...); 5551(4...); 552(4...); 642(4...); 615; 660; 6055; 6352(4...); 6451(4...); 6631; 71 (4-Ball-Shower); 719151 (Hoch-tief-mittel-Shower); 714; 741; 7405; 7045; 80 (4 in einer Hand)
5 Bälle
  5 (5-Ball-Kaskade); 64(5...); 91 (5-Ball-Shower); 73 (Halbshower); 744(5...); 6662(5... ); 663(5...); 753(5...); 771; 7562(5...); 726; 852
 


Bernhard Neugebauer studiert Elektrotechnik an der Technischen Universität Graz und ist leidenschaftlicher Jongleur, Einradfahrer und Chorsänger. Sein angestrebter Beruf Toningenieur und sein Hobby Jonglieren haben gemeinsam, dass sie beide auf einem Zusammenspiel analytisch-rationaler und künstlerisch-intuitiver Fähigkeiten beruhen. Er ist Autor des Siteswap-Animationsprogramms Realtime Juggler, das die Eingabe von Würfen in Echtzeit erlaubt. Der Einführungstext in die Siteswap-Notation ist aus einer Arbeitsunterlage für den von ihm geleiteten Jonglierkurs des Universitätssportinstituts Graz entstanden.
 
Juggling Lab von Jack Boyce und Mitarbeitern ist ein plattformübergreifendes Computerprogramm für die Animation von Solojonglier- und Passingmustern. Neben der hier verwendete Applet-Version (Java 1.1) gibt es auch eine Applet- und Standalone-Version (Java 2) mit erweitertem Funktionsumfang. Juggling Lab ist für nichtkommerziellen Gebrauch freie Software; Teile unterliegen der GNU General Public License.

Alle Rechte am Artikel verbleiben beim Autor. Juggling Lab unterliegt mehreren Copyrights. Veröffentlicht mit Einverständnis des Autors. Dezember 2000, überarbeitete und erweiterte Version: Februar 2005.