Vierballjonglage
  jonglieren.at: Theorie & Praxis: Flüssig plätschert die Fontäne

  Martin Apolin: Text und Grafiken

  Janosch Slama: Cartoon

  aus:
    Kaskade - Europäische Jonglierzeitschrift No. 41 (Frühling 1996), pp 31-33
Tick. Die Zeitung von Artis-Tick, Nr. 15-16 (Winter 2000), pp 10-13
         

 
Dieser Artikel richtet sich an alle, die die Grundfigur mit vier Bällen, die Fontäne, lernen oder verbessern wollen oder sie jemandem beibringen möchten.

Vier Bälle zu jonglieren heißt eigentlich, zwei in jeder Hand. Die beiden Bälle der linken Hand bleiben immer links und die der rechten immer rechts (Abb.1). Dieses System findet man bei einer geraden Anzahl von Bällen. (6 Bälle sind daher drei in jeder Hand.) Natürlich könnte man die Bälle auch wie bei der Dreiballkaskade überkreuzt werfen, jedoch hat dieses Jongliermuster einen wesentlich schwierigeren Rhythmus.

Abb. 1
Abb.1: Schematischer Vergleich der Ballwege zwischen Fontäne (links) und Kaskade.

Die Voraussetzung für das Erlernen der Grundfigur ist daher das Jonglieren von zwei Bällen in einer Hand. Diese Bewegung ergibt sich nicht zwangsläufig aus dem Können der Dreiballjonglage und muss von vielen Personen extra geübt werden. Verzeiht die Kaskade mit drei Bällen noch eine deutlich ungeschicktere bzw. ungeübtere linke Hand, so hat man bei vier Bällen kaum mehr eine Chance. Daher: Übe jede Übung auch ausgiebig mit der linken Hand, auch wenn es zu Beginn etwas schwer fällt. Die Übungen 5, 7, 10, 13 und 14 sind symmetrisch und brauchen daher nicht extra links geübt werden.

Nicht alle beschriebenen Übungen sind für das Erlernen der Fontäne unbedingt notwendig, erweitern aber den "Bewegungsschatz" und bereiten auf andere Vierballtricks vor (Säulen, Außenkreise etc.). Die für die Fontäne spezifischen Übungen sind schwarz gekennzeichnet (wie Übung 1), die anderen grau. Der Weg für Faulpelze und Minimalisten lautet daher: 1, 8, 9, 11, 12, 13 und 14.

Alle Abbildungen sind zur besseren Übersicht seitenverkehrt gezeichnet, so, als würdest du dich selbst in einem Spiegel sehen. Außerdem wird angenommen, dass du Rechtshänder bist und deine stärkere Hand daher die rechte ist.



1
Nimm zwei Bälle in die rechte Hand und wirf sie im Außenkreis, d.h. du wirfst den Ball in der Mitte weg und fängst ihn außen wieder auf. Achte besonders darauf, dass sich die Bälle in einer Ebene parallel zu deiner Frontalebene bewegen - also zu einer imaginären Wand vor dir. Falls du damit Probleme hast, stelle dich knapp vor eine wirkliche Wand und übe so. Jeder Ball wird dann aus der Hand geworfen, wenn der andere den höchsten Punkt erreicht hat.

Abb. 2
Abb.2: 1.Übung

Achte auf die runde Bewegung der Hand: Sie sollte in etwa einen Kreis beschreiben. In der unteren Hälfte des Kreises wird der gerade gefangene Ball getragen. Der Ball sollte nicht abrupt abgestoppt werden - das sieht nicht gut aus und ist vor allem auf Dauer auch sehr anstrengend. Er sollte weich abgefangen und wieder beschleunigt werden. In der oberen Hälfte des Kreises bewegt sich die Hand nach dem Abwurf des Balles wieder zurück. Setzt man diese beiden Bewegungen zusammen, so ergibt sich eine Kreisbahn, also eine sehr runde und energiesparende Bewegung. Wenn du später einmal viel mit vier Bällen übst und schnell müde wirst, dann liegt das sicherlich auch daran, dass die Bewegungen noch zu eckig sind. Runde Bewegungen bekommst du nur durch viel Üben!

Abb. 3
Abb.3: zu Übung 1; Weg der rechten Hand bei der Fontäne


2
Wirf nun die beiden Bälle der rechten Hand als Säulen, also immer senkrecht. Die Wurfebene sollte wie bei Übung 1 sein.

Abb. 4
Abb. 5
Abb.4: 2.Übung

Abb.5: zu Übung 2

Der Weg der Hand ist in diesem Fall anders als bei den Außen- und Innenkreisen. Die Hand beschreibt in etwa die Bahn eines verkehrten U (Abb.5), die Bewegung ist also nicht geschlossen. Der obere Teil der Bahn ist etwa ein Halbkreis. Wenn der Ball jedoch gefangen wird, dann wird er in der Hand mit einer senkrechten Bewegung abgefedert und wieder beschleunigt. Zur Kontrolle kannst du dich einmal mit Video filmen lassen und dir die Bewegung in Ruhe ansehen.


3
Wirf beide Bälle im Innenkreis. Du wirfst also außen und fängst innen, machst mit dem Ball in der Hand einen kleinen Halbkreis nach außen und wirfst wieder. Diese ist die schwierigste der drei Übungen, sollte aber trotzdem bzw. gerade deswegen besonders gut geübt werden. Ein Hilfe dabei ist es, sich so in einen Türrahmen zu stellen, dass man nicht über die Mittellinie hineinwerfen kann (Abb. 6).

Abb. 6
Abb.6: zu Übung 3


4
Wenn du Übung 1 bis 3 gut beherrscht, dann kannst du sie miteinander kombinieren. Wirf zunächst fünfmal Außenkreise, dann fünfmal Innenkreise, dann fünfmal Säulen, und dann beginn wieder von vorne. Je nach Geschmack kannst du die Reihenfolge oder die Anzahl der einzelnen Würfe natürlich verändern.


5
Um die Belastung beim Jonglieren auf beide Arme zu verteilen, kannst du Säulen jonglieren, die von einer auf die andere Hand überspringen. Du beginnst mit Säulen in der rechten Hand, wirfst dann beide Bälle in die linke, jonglierst einige Zeit weiter, wirfst die Bälle wieder in die rechte Hand und so weiter. Es ist gut, die Seite recht oft zu wechseln. Üben auf der schlechteren Seite bringt auch für die bessere einen spürbaren Fortschritt. Du kannst diese Übung auch mit Innen- und Außenkreisen kombinieren.

Abb. 7
Abb.7: 5.Übung


6
Wir kommen nun dem Ziel, mit vier Bällen zu jonglieren, um einen Ball näher. Diese Übung ist eine Übung aus der Dreiballjonglage, nämlich das Stellen von Säulen. Nimm zwei Bälle in die rechte und einen Ball in die linke Hand. Die Übung ist wie Nummer 2 mit der Erweiterung, dass du mit der linken Hand ebenfalls einen Ball wirfst, und zwar immer synchron mit dem äußeren der Bälle der rechten Hand. Achte darauf, dass die Bewegung nicht nur richtig ist, sondern auch sauber. Der Einzelball aus der rechten Hand soll immer auf derselben Höhe sein wie der äußere Ball aus der linken Hand und der Abstand der Säulen etwa gleich groß.

Abb. 8
Abb.8: 6.Übung


7
Lass nun den mittleren Ball von einer in die andere Hand wandern. Falls du damit Probleme hast, probiere zunächst einige normale Säulen dazwischen, bevor du den Ball zurückwirfst. Das Ziel dieser Übung ist es, den mittleren Ball abwechselnd mit links und mit rechts zu jonglieren, während die beiden äußeren Bälle immer in derselben Hand bleiben.

Abb. 9
Abb.9: 7.Übung


8
Diese Übung ist nun schon ziemlich vierballspezifisch. Ausgangspunkt ist Übung 6, also das Stellen von Säulen. Nun kombinierst du diese Übung aber mit Außenkreisen der Bällen in der rechten Hand. Der Ball in der linken Hand sollte davon möglichst unbeeindruckt bleiben.

In unserem Fall wird der schwarzweiße Ball links gleichzeitig mit dem schwarzen Ball rechts geworfen. Während der weiße Ball rechts fliegt, hat der linke Ball eine Pause. Bei dieser Übung hat daher die linke Hand nur halb so viel zu tun wie die rechte. Kontrolliere, ob der schwarzweiße und der schwarze Ball immer gleich hoch fliegen.

Abb. 10
Abb.10: 8.Übung


9
Diese Übung liegt auf der Hand: Übung 8, jedoch mit Innenkreisen. Das ist schwieriger als Übung 8, genauso wie Innenkreise mit vier Bällen schwieriger sind als Außenkreise. Wichtig ist vor allem, dass die Bälle aus der rechten Hand nie die Mittellinie überschreiten. Wenn dir das mit vier Bällen passiert wird das Muster ziemlich chaotisch, und die Bälle von links und rechts könnten kollidieren.


10
Eine Kombination aus Übung 6 bis 9. Jongliere zunächst Säulen, zwei Bälle rechts. Wechsle dann mit der rechten Hand auf Außenkreise, Innenkreise und wieder zurück auf Säulen. Wenn die rechte Hand müde wird, wendest du Übung 7 an, lässt einen Ball in die linke Hand wechseln und übst dort wieder Außenkreise, Innenkreise, Säulen und so weiter. Diese Übung kannst du auch später zum Aufwärmen verwenden. Zu Beginn wirst du noch sehr viel nachdenken müssen, später wird sich die Übung automatisiert haben.


11
Nun kommen wir zu den Kardinalübungen, zu den Knackpunkten. Bis jetzt wurden immer zwei Bälle zur gleichen Zeit geworfen. Bei der Grundfigur der Vierballjonglage werden aber die Außenkreise im versetzten Rhythmus geworfen. Die folgende Übung nenne ich die "taktlosen Säulen". Taktlos soll in diesem Falle heißen, dass nie zwei Bälle zur selben Zeit geworfen werden. Im Prinzip sind "taktlose Säulen" Säulen mit drei Bällen und einem "Loch". Dieses Loch befindet sich in der linken Hand. Der Wurfrhythmus ist daher weiß - schwarzweiß - schwarz - Pause. Manchen wird diese Übung vielleicht schwerer fallen als die fertige Übung, weil sie nicht kontinuierlich ist. Auf jeden Fall ist es eine sehr wertvolle Übung auf dem Weg zu vier Bällen. Beim Wechsel eines Balls von der rechten in die linke Hand musst du eine Pause machen, da kein flüssiger Wechsel möglich ist.

Abb. 11
Abb.11: 11.Übung


12
Diese Übung ist wahrscheinlich die wichtigste vor der eigentlichen Zielübung. Verbinde nun Übung 11 mit Außen- und Innenkreisen in der rechten Hand. Wechsle die Richtung und baue zwischendurch auch Säulen ein. Beim Üben mit zwei Bällen in der linken Hand musst du wie bei Übung 11 unterbrechen und den Ball übergeben. Wenn du diese Übung gut kannst, ist der Schritt zu vier Bällen nicht mehr weit.


13
Nimm nun in jede Hand zwei Bälle. Beginne mit rechts, wirf in versetztem Rhythmus alle vier Bälle im Außenkreis weg und fang sie wieder auf. Die Bälle der linken Hand bleiben dabei links und die der rechten rechts. du bist wahrscheinlich versucht, wie bei einer Kaskade übers Kreuz zu werfen. Nimm daher zur Unterstützung farbige Bälle und kontrolliere nach den vier Würfen ihre Lage. Der Rhythmus des Werfens sollte genau dem des Fangens entsprechen und regelmäßig sein. Wichtig ist es, beim Abwurf zwischendurch auch mit links zu beginnen. Wenn du diese vier Würfe schaffst, dann probiere 6, 8, 10 usw. Wenn du dich bei dieser Übung einigermaßen wohl fühlst, dann bist du reif für die Zielübung.


14
Wenn du bis hierher alle Übungen gut geübt hast - vor allem 11 bis 13 -, so sollten dir nun zumindest einige kontinuierliche Würfe gelingen. Versuche mit regelmäßigem Rhythmus abwechselnd rechts und links zu werfen, die Bälle etwas weiter außen zu fangen und wieder in einem leichten Bogen in der Mitte abzuwerfen.

Die Höhe der Würfe hängt von deiner persönlichen Vorliebe ab, Stirnhöhe bis 30 cm darüber ist am Beginn wahrscheinlich am geeignetsten. Niedriger zu werfen bedeutet ein höheres Wurftempo bei dem die Genauigkeit leidet, höhere Würfe bringen eine größere Geschwindigkeit der Bälle beim Auftreffen in der Hand mit sich, was zu Beginn sicherlich einige Probleme bereiten wird. Mit fortschreitendem Können solltest du jedoch auch mit der Höhe experimentieren.

Abb. 12
Abb.12: Die fertige Fontäne

Der Abstand der beiden Kreise ist ebenfalls Geschmackssache. Wenn man die Kreise jedoch eng zusammen jongliert, entsteht für den Beobachter der Eindruck, dass sich die Wurfbahnen überkreuzen, was optisch wesentlich besser wirkt, als wenn sich die Kreise zu weit auseinander befinden. Die Kreise können sich sogar leicht überschneiden, da es durch den versetzten Rhythmus zu keinen Zusammenstößen kommen kann.



Martin Apolin (Wien) ist begeisterter Jongleur. Als Mittelschullehrer für Sport und Physik hat er vielfach die Gelegenheit, seine Jongliermethoden auch in der Praxis ausgiebig zu testen. Der obige Artikel beruht auf einem Abschnitt seines Buchs "Vier und fünf Bälle jonglieren ist keine Kunst" (pp 10-18) und ist in Kaskade und in leicht überarbeiteter Version (unter dem Titel: "Flüssig plätschert die Fontäne. Vierballjonglage mit Didak-TICK") in Tick erschienen. Die Wiederveröffentlichung hier folgt weitgehend der letzteren Version. Weitere Publikationen des Autors zum Thema Jonglieren: Das Lehrbuch "Jonglieren ist keine Kunst" sowie mehrere Artikel u.a. in den Zeitschriften Leibesübungen Leibeserziehung, Kaskade und Tick.
Janosch Slama (Wien) ist Grafiker, Jongleur und "Direktor" des Circus Rabiat. Abb. 6 in obigem Artikel ist eine seiner zahlreichen Jonglier-Cartoons, die in Tick und anderen Publikationen veröffentlicht worden sind.
Weitere Beiträge auf den Webseiten von jonglieren.at: siehe: Index: Apolin, Martin bzw. Index: Slama, Janosch

Alle Rechte verbleiben bei Autor bzw. Grafiker. Veröffentlicht mit deren Einverständnis und mit freundlicher Genehmigung von Kaskade - Europäische Jonglierzeitschrift und von Artis-Tick. November 2001.