Faszination Feuer
  jonglieren.at: Theorie & Praxis: Faszination Feuer

  Laszlo Pinter

  aus:
    Tick. Die Zeitung von Artis-Tick, Nr. 11 (Hochsommer 1999), pp 10-11
         

Das "erste Mal"

 
Wie bei allen anderen Dingen ist auch beim Feuerjonglieren aller Anfang schwer. Das wichtigste Ziel zu Beginn ist, die zum Teil unbegründete Angst vor dem Feuer bzw. konkret der Flamme am Requisit zu verlieren. Viele Fehler beim Jonglieren entstehen aus dieser Unsicherheit, die du normalerweise dem Feuer gegenüber hast. Taste dich langsam heran, gewöhne dich z. B. an die Wärme des Feuers, indem du mit der Hand durch die Flamme streichst. Wenn du während des Jonglierens eine Fackel verkehrt fängst, gerate nicht in Panik, denn du wirst sie ohnehin reflexartig fallen lassen. Außerdem ist der Docht bei einer ganz kurzen Berührung nicht wirklich heiß. Weit unangenehmer als der Kontakt mit dem Docht ist das Berühren des Alurohres, da es sich recht stark erhitzt. Unterlasse es aus diesem Grund, ein falsch gefangenes Requisit auszugleichen. Stattdessen lieber fallen lassen und von Neuem beginnen! Übe weiters am Anfang bei Tageslicht oder während der Dämmerung, damit du die Jonglierrequisiten möglichst gut sehen kannst. Beginne außerdem zur Eingewöhnung mit ganz einfachen Übungen (eine einzelne Fackel jonglieren, Kaskade usw.).

Tunken und Ausschwingen

 
Am besten verwendest du zum Tunken der Feuerrequisiten ein beschriftetes Einmachglas oder einen ähnlichen Behälter mit Drehverschluß. Vorgangsweise: Fackel oder sonstiges Requisit mit dem Dochtende in den mit Petroleum gefüllten Behälter tauchen, bis der komplette Docht untergetaucht ist. Solange sich an seiner Oberfläche kleine Luftbläschen bilden, ist er aufnahmefähig. Sobald er sich vollständig mit Petroleum angesaugt hat, (in der Regel nach ca. 5 Sekunden) Requisit aus der Flüssigkeit herausnehmen und das überschüssige Petroleum in das Behältnis abtropfen lassen. Anschließend müssen die Requisiten unbedingt kräftig ausgeschwungen werden. Der Grund ist folgender: Unausgeschwungen spritzt das überschüssige Petroleum aus dem Docht heraus und kann in die Augen kommen. Aus ökologischen Gründen empfiehlt sich das Ausschwingen über einer saugfähigen Papierunterlage (Maler-Abdeckpapier, Bezugsquelle: Baumärkte).

Anzünden

 
Der getunkte und ausgeschwungene Docht kann nun angezündet werden. Bedenke: Heiße Luft steigt nach oben. Halte daher Fackeln mit dem Docht immer nach oben, Requisiten wie Feuerstock und Devilstick, die an zwei Enden brennen, hingegen waagrecht.

Löschen

 
Docht ausbrennen lassen: Wenn du lang genug jonglierst, wird die Flamme irgendwann von selbst ausgehen.
Ausblasen der Flamme: Während einer Präsentation ist jedoch davon abzuraten, weil es peinlich wirkt, wenn man ungewollt mehrere Ausblasversuche braucht.
Ersticken der Flamme in einer nassen Baumwolldecke (großes Baumwollhandtuch oder besser sogenanntes "Bühnenmolton", Bezugsquelle: Tüchler Theaterbedarf, 1160 Wien, Abelegasse 10): Sicher der eleganteste Weg des Löschens. Dabei legst du das Requisit auf die befeuchtete Decke und wickelst es rasch beim brennenden Dochtende mehrmals ein: Wickle dabei in zwei bis drei Schichten, denn der Alustab unter dem Docht ist meistens unangenehm heiß. Indem du nun mit den Händen einen luftdichten Verschluß um die Wicklung bildest, erstickst du die Flamme. Achte dabei darauf, daß du rundherum luftdicht abschließt.

Die Umgebung

 
Der Platz sollte feuerfest und im Freien sein. Idealer Untergrund: Beton, Steinboden, Erde, Kies. Im näheren Umkreis dürfen sich keine brennbaren Stoffe oder sonstige leicht entzündliche Gegenstände befinden.

Brennbare Flüssigkeiten

 
Bewahre brennbare Flüssigkeiten in eindeutig gekennzeichneten Flaschen bzw. Kanistern auf. Verwende auf keinen Fall Getränkeflaschen. Eine Verwechslung kann sehr gefährlich sein. Behälter außerhalb der Reichweite von Kindern und nicht unmittelbar in Jongliernähe aufbewahren. Die wichtigsten Flüssigkeiten sind:

Petroleum oder besser sogenanntes "geruchloses Petroleum" (geringere Rauchentwicklung!) und
Wundbenzin (entspricht Leichtbenzin) (Bezugsquelle: Neuber's Enkel, 1060 Wien, Linke Wienzeile 152).

Petroleum eignet sich ideal zum Tunken der Requisiten, da die Flamme kräftig und dauerhaft ist. Es ist in der Handhabung auch relativ ungefährlich, weil es sich schwer entzündet, beziehungsweise zum Brennen eine Trägersubstanz (Fackeldocht) braucht. Bei Wundbenzin ist hingegen Vorsicht geboten: das Feuer kann sich durch ausgeschüttete Flüssigkeit leicht ausbreiten. Wundbenzin eignet sich bestens für Feuerschalen, die außer ihrer ästhetischen Wirkung auch als Zündquelle für die Requisiten verwendbar sind.

Gesundheit

 
Halte für den Fall des Falles immer frisches Wasser (Alternative: Kühlspray von Hansaplast) zur Erstversorgung einer möglichen Brandwunde bereit. Lange Haare unbedingt zusammenbinden, denn sie könnten Feuer fangen.

Transport

 
Die Tasche, in der du deine Feuerrequisiten transportierst, solltest du ausschließlich zu diesem Zweck verwenden, weil sich der Petroleumgeruch darin festsetzt.

Kleidung

 
Meide beim Feuerjonglieren entzündliches und schmutzempfindliches Gewand (helle Farben, Kleidung aus Kunstfaser, Seide etc.).

Feuerjonglage und Präsentation

 
Überfordere dich nicht mit schwierigen Tricks: Oft wirken schon simple Tricks sehr spektakulär.
Tricks mit Körpereinsatz (Würfe unter dem Bein oder hinter dem Rücken) lohnen sich kaum in der Dunkelheit, weil die eigentlich interessante Aktion nicht gut genug sichtbar ist.
Überlege immer, ob ein Trick von der Seite oder von vorne besser wirkt.
Besonders schön ist es, wenn die Flammen helle Streifen in der Dunkelheit hinterlassen: Techniken des Fackelschwingens sowie Feuerstockdrehens basieren auf diesem optischen Effekt. Beim Jonglieren mit Fackeln erzeugen z. B. Tricks wie "Flourish" oder "Holzhacker" eine besonders schöne Wirkung.
Es muß dir bewußt sein, daß die Flammen dein Gesicht erhellen und somit sichtbar machen. Nur wenn du entspannt wirkst, können die Zuschauer deine Präsentation genießen.
Ein wesentlicher Bestandteil der Präsentation sind Vor- und Nachbereitungen. Sie sollten unbedingt kontrolliert ablaufen und nach außen hin Sicherheit vermitteln. Viele Feuerjongleure wirken beispielsweise hektisch, wenn es zum Auslöschen ihrer Requisiten kommt. Dazu siehe Hinweise unter Stichwort "Löschen".

Checkliste

 
Mindestausstattung: Tasche, Jonglierrequisiten, Petroleum, verschließbares Einmachglas, Feuerzeug, Hansaplast Kühlspray.
Erweiterte Ausstattung: geruchloses Petroleum, Wundbenzin, Feuerschale, Löschdecke, Overall, Putztücher, Maler-Abdeckpapier, Müllsack, Erste-Hilfe-Set (Desinfektionsmittel, Verbandszeug).



Die Redaktion von jonglieren.at weist mit Nachdruck darauf hin, dass Feuerjonglieren für JongleurInnen, Publikum und zufällige Passanten gefährlich sein kann. Neben der Verbrennungsgefahr sind gegebenenfalls auch Giftigkeit und/oder Karzinogenität der Brennflüssigkeiten oder in diesen enthaltenen Zusätzen zu beachten. Ferner wird darauf hingewiesen, dass sich der vorliegende Artikel ausschließlich mit dem Jonglieren mit Feuerrequisiten beschäftigt. Für andere Feuertechniken, wie z.B. Feuerschlucken und -spucken, für die weitere gravierende Gesundheitsrisken zu bedenken sind, sind die gegebenen Ratschläge nicht anwendbar oder nicht ausreichend.



Laszlo Pinter (Wien), Artist, Jonglierpädagoge, Freizeitbetreuer. Laszlo Pinter unterrichtet an der Circusakademie des Kulturvereins KAOS, dem Universitäts-Sportinstitut Wien, dem Verein Kids Company sowie an mehreren Volkshochschulen der Stadt Wien Jonglieren und sonstige Zirkuskünste. Außerdem absolviert er derzeit die Ausbildung bei den Wiener Clini Clowns. Professionelle Arbeit, insbesondere auch als Feuerjongleur, in der Artistengruppe Die Pyromantiker und als Solist.
Weitere Artikel des Autors auf den Webseiten von jonglieren.at: siehe: Index: Pinter, Laszlo

Alle Rechte verbleiben beim Autor. Veröffentlicht mit seinem Einverständnis und mit freundlicher Genehmigung von Artis-Tick. Dezember 2001.