Wer sich an dieser Stelle eine ausführliche Schilderung der Ereignisse auf der Europäischen Jonglierconvention erwartet, sei auf den Bericht der aktuellen Kaskade verwiesen. Hier wird das Festival nur stimmungsmäßig gestreift.
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Manchmal an diesen heißen Augusttagen frage ich mich, weshalb ich viele Viertelstunden lang über das gesamte Gelände latsche, um letztendlich jene Leute zu treffen, die ich ohnehin ständig in Wien sehe oder die ich eben erst in Klagenfurt getroffen habe. Die Antwort ist einfach: Sie sind leicht zu finden. In der Nähe der Essensstände gibt es einen Tisch, der fast immer mit Österreichern besetzt ist. Wohl deswegen, weil dort fast alles geboten wird, was wir aus Klagenfurt kennen: Speis, Trank, Bäume, Zirkuszelt. Und siehe da, es ist in Karlsruhe eigentlich alles genauso wie in Klagenfurt. Gut, wenn man sich ein bisschen vom Epizentrum der lukullischen Genüsse wegbewegt, mag man eines Besseren belehrt werden: Ein bisschen mehr Jongleure sind da, ein bisschen mehr Workshops mag es geben, jeden Tag Showtime, ein ein klein wenig weitläufigeres Gelände, ach ja, und eine überdimensionale Jonglierhalle - aber bitte, wer braucht schon eine Halle?
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Am Österreichertisch wird besprochen, was man hier nicht alles sehen und machen könnte und was man eigentlich gar nicht anzufangen braucht, weil man eh nicht alles machen kann. Dann wird zur Abwechslung die Frage gestellt, warum die Österreicher eigentlich meistens rumsitzend, essend, quatschend anzutreffen sind. Manchmal gesellt sich ein Freund aus dem benachbarten Ausland zu uns, dem versuchen wir dann, sein Essen abzuschnorren. Aber manchmal, manchmal wird auch jongliert. Und so eifrig agierend wie heuer wurde Österreichs Jongliervolk noch nie auf einer Convention gesichtet: Eine Graz-Krems-Wien-Delegation gab unterschiedlichste Workshops, zahlreiche Helfer wurden bei Badgecontrol und an der Bar angetroffen. Ehrlich gesagt: Ich selbst kam mir wie ein nichtsnutziger kleiner Wurm vor, als ich zum dritten Mal Claudia eifrig an der Bar bzw. beim Frühstücksbüffett arbeiten sah, heroisch die Stellung haltend und altruistisch auf die Full-House-Show verzichtend... Da konnte ich mich mit meinen zwei Stunden Badgecontrol nur verstecken. Das tat ich dann auch und fand mich in der Halle unter einigen Keulenschwingern wieder. Pro Tag ein Trick, hatte ich mir vorgenommen. Und siehe da, schon am dritten Tag würde sich herausstellen, dass ich den Rest des Festivals Ferien machen würde können. Oder doch noch einmal Badgecontrol. Schade, dass die Tage immer kürzer werden, und das liegt nicht (nur) am herannahenden Herbst. Ab dem vierten Tag hat man das Zeitgefühl verloren, die Tage fliegen vorbei, kaum bist du aufgestanden, findest du dich abends bei der Open Stage wieder. Irgendwie kann ich da keine freie Stunde mehr für eine weitere kleine Badgecontrol finden. Stelle mich lieber abends an die Bar. Dort treffe ich Claudia an... Ähem. Okay, ab in die Halle.
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Wer in die Halle geht, aber trotzdem nicht jonglieren möchte (oder gerade deswegen), kann es sich immer noch oben auf der Galerie bequem machen. Von dort genießt man nicht nur einen herrlichen Ausblick auf mehr oder weniger unmöglich agierende und unermüdlich trainierende Jongleure, sondern kommt auch in den auditiven Genuss ätzender Kommentare von Freunden aus dem benachbarten Ausland: "Guck dir doch mal den Gelbkeulenschmeißer an! Mike's Mess mit vier Keulen!? Was schmeißt der da? Vierfache? Sach mal, darf der das?"
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Amüsant, wenn ambitionierte deutsche über noch ambitioniertere französische Jongleure herziehen. Nun, das ist vermutlich der Punkt, an dem sich Karlsruhe von Klagenfurt unterscheidet: viele verschiedene Nationalitäten und - damit einhergehend - viele verschiedene Jonglierstile, viele verschiedene Bühnenpräsentationsarten. Ja, das macht das Flair aus. Und die Tatsache, dass du dich damit abfinden musst, ständig etwas zu versäumen. Auch das ist Grundbestandteil einer europäischen Convention: Da man nicht alles sehen, erleben, machen kann, muss jeder zu seinem eigenen Tempo finden, das genießen, was ihm selbst im Moment gerade am wichtigsten ist. Im Grunde ist daher jeder Bericht über ein europäisches Festival sinnlos: Es gibt im Endeffekt so viele Conventions wie Teilnehmer, jeder wird zu seinem eigenen Gestalter. In diesem Sinne werde ich nun auch diesen Artikel beenden: Mahlzeit! Prost!
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Lisi Gräf (Wien, E-Mail: lisi [AT] diekeulquappen . at), Beruf nach eigener Angabe: u. a. "Keulquappe", was sowohl auf ihr bevorzugtes Jonglier-, Passing- und Swinging-Requisit hinweist als auch auf ihre Arbeit als Artistin im Duo ArtistInnenduo Die Keulquappen. Mitarbeit in der Tick-Redaktion, Teilnahme an vielen österreichischen und internationalen Jonglier-Conventions, Stammgast bei der EJC, Ko-Organisatorin des ersten Wiener Jonglierfestivals Wiener Jonglierwinter 2002.
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Weitere Artikel der Autorin auf den Webseiten von jonglieren.at: siehe: Index: Gräf, Lisi
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Weitere Informationen über die Europäische Jonglier-Convention sind
auf den Webseiten der
European Juggling Association
(EJA) zu finden.
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Alle Rechte verbleiben bei der Autorin. Veröffentlicht mit ihrem Einverständnis und mit freundlicher Genehmigung von Artis-Tick. April 2002.
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