Combat
  jonglieren.at: Spielen...: ... um des Spielens willen: Combat

  Roman Kellner

  aus:
    Tick. Die Zeitung von Artis-Tick, Nr. 7 (Sommer 1998), p 7

         
Es gibt etwas, das friedfertige Jongleure bösartig, hinterhältig und brutal werden läßt.
Wir lieben es.


Sommer. Die Sonne lockt wieder hinaus auf die Wiesen. Dort blühen Blumen. Schmetterlinge flattern in Kniehöhe. Hasen springen durch das Gras. Jongleure dreschen mit Keulen aufeinander ein. Wie nennt man dieses Spiel...? Combat, Kleines.

Was Combat ist, manchmal auch Gladiators genannt, muß wohl nur jenen erklärt werden, die - sich selbst und ihren drei Beanbags genügend - hartnäckig Jongliertreffen meiden. Es handelt sich um ein Jonglierspiel für zwei bis unendlich viele Mitwirkende. Das Ziel ist, jonglierend übrig zu bleiben. Das - so Charlie Dancey [1] - sind auch bereits die Regeln. Andere, etwas zarter besaitete, fügen Grundregeln des Anstands hinzu, die etwa den Einsatz von Füßen und Schußwaffen verbieten.

Für gewöhnlich wird Combat mit Keulen ausgetragen, es wurde aber auch schon mit Devil-Sticks gesehen. Nicht so besonders, eigentlich fast gar nicht, überhaupt nicht geeignet sind Bälle. Vielleicht weil die Gefahr eines Schlages mit einem vogelfutterweichen Bean-bag nicht wirklich Angst erzeugt.

Mit Ästhetik hat dieses Spiel nichts zu tun. Mills Mess und Back Crosses mögen schön anzusehen sein, beim Combat bedeuten sie das sichere Aus. Es gilt, die Keulen immer unter Kontrolle zu halten und dennoch die Umgebung wahrzunehmen.

Grundsätzlich kann man das Spiel aktiv und passiv bestreiten. Es empfiehlt sich eine wohlüberlegte Kombination. Defensive in der Anfangsphase, Offensive bei nur mehr wenigen Mitspielern.

In der Defensive ist es wichtig, immer in Bewegung zu bleiben. Hilfreich ist, sich schnell umdrehen zu können. Ein Wurf über die Schulter, verbunden mit einer plötzlichen Drehung um 180°, kann aus so mancher Verlegenheit führen.

In der Offensive gibt es verschiedene Formen, die Mitspieler ihrer Keulen zu entledigen. Die erste und einfachste ist, man schreckt den Gegenüber mit etwas Unvorhergesehenem. Manchmal genügt ein lautes "Huh!". Reicht das nicht, so können einige furchterregende Tricks, knapp vor der Kaskade des Gegners jongliert, diesen dazu veranlassen, sich von seinen Keulen zu trennen.

Die zweite Möglichkeit ist die Rückenmethode, die laut mehrfachem Award-Träger Wolfgang Schebeczek aber nicht der Minnesota-Ethik entspricht [2]. Man dreht dem Gegner den Rücken zu und läuft ihm verkehrt in seine Jonglage. Vorteil: Die eigene Jonglage ist geschützt. Nachteil: Auch Jongleure sehen hinten nichts.

Die dritte und eleganteste Möglichkeit ist, eine Hand frei zu bekommen und mit dieser das Muster des Gegners zu zerstören. Soll etwa die rechte Hand zum Schlag eingesetzt werden, empfiehlt sich eine mehrfach-gedrehte Linke oder überhaupt mit links jonglierte Säulen. Beherrscht man das Ausholen allerdings nur mit einer Hand, zum Beispiel der rechten, so bekommt man Probleme mit Linkshändern. Durchschaut außerdem jemand, daß man selbst immer mit rechts angreift, wird er diese Seite meiden. Die beste Methode ist deshalb immer noch, eine mehrfachgedrehte Keule nach vorne zu werfen und sich mit den zwei übriggebliebenen Keulen einen Weg durch die gegnerische Jonglage zu bahnen. Dieser Trick sieht sehr spektakulär aus und endet, außer bei einigen wenigen Könnern, oft mit sechs Keulen am Boden.

Eine letzte Methode - unlängst von Babsi P. erprobt - soll hier nicht unerwähnt bleiben: Man beginnt beinahe zu weinen, sieht arm aus und seufzt, auch einmal gewinnen zu wollen. Tatsächlich rührte das zum ersten Sieg, weil alle in Konfrontation mit Babsi und der Absicht, sie gewinnen zu lassen, die Keulen fallen ließen. Diese Methode funktioniert genau einmal.

Zum Abschluß wäre es angebracht, noch etwas Positives über den pädagogischen Wert des Spieles zu sagen. Allein, es gibt nichts. Wir lieben es dafür.


Weiterführende Literatur:

LORENZ, Konrad: "Das sogenannte Böse. Zur Naturgeschichte der Aggression" München: dtv 1983.
MITSCHERLICH, Alexander (Hg.): "Aggression und Anpassung" München: Piper 1969.
RICHTER, Horst E.: "Flüchten oder Standhalten" Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1987.
von SUTTNER, Bertha: "Die Waffen nieder!" München: Knaur 1981.



Anmerkungen der Redaktion jonglieren.at:

[1] Autor des Buchs Compendium of Club Juggling. Es enthält auf den Seiten 25-26 einen Abschnitt "Combat Juggling Techniques".

[2] Eine sich hartnäckig verbreitende Missinterpretation von WSch's Worten. Was in Minnesota tatsächlich verpönt ist, ist einen Gegner anzugreifen, wenn dieser einem gerade den Rücken zukehrt. Siehe dazu das Posting Re: Rules for Combat? (24 Feb 1996) von Jon Poppele (IJA Combat Champion 1995) an die Newsgroup rec.juggling.



Roman Kellner (Wien, E-Mail: roman [AT] diekeulquappen . at) ist Jongleur und beschäftigt sich auch mit anderen Varietékünsten. Er tritt gemeinsam mit Lisi Gräf als Duo Die Keulquappen auf, schätzt aber das Jonglieren auch wegen seiner spielerischen Qualitäten. Berufliche Tätigkeit als Journalist für Greenpeace Österreich, Redakteur und Verfasser zahlreicher Artikel für das österreichische Jongliermagazin Tick.
Weitere Artikel des Autors auf den Webseiten von jonglieren.at: siehe: Index: Kellner, Roman

Alle Rechte verbleiben beim Autor. Veröffentlicht mit seinem Einverständnis und mit freundlicher Genehmigung von Artis-Tick. Jänner 2002.