Re: historische quellen diabolo


[ Weitere Antworten ] [ Jonglieren.at: Open Page Archiv ]

Verfasst von Wolfgang Schebeczek am 17. Mai 2007 um 12:15:35:

Als Antwort auf: Re: historische quellen diabolo verfasst von stefan am 17. Mai 2007 um 10:38:21:

: hi, jetzt kommt ja richtig fahrt in die sache.

Für mich: leider. Wie gesagt, wollte ich mich da eigentlich aus der Diskussion raushalten, weil ich dringend anderes erledigen sollte.

: ich habe bis jetzt aus 45 verschiedenen quellen material zusammen
: gesammelt.

Ich weiss nicht genau, was du mit dem Material vorhast. Aber wenn du es wirklich genau wissen willst, vertraue nicht blind den Sekundärquellen und sei auch noch bei den Primärquellen skeptisch. In der von mir empfohlenen Literatur findest du eine Menge von relevanten Quellen.

: u.a. hab ich auch dies gefunden:

: Mathieu Benedetti befasste sich eine ganze Zeit lang mit der Geschichte des Diabolo (http://www.kouen-gen.com/).
: Er sagt, das das Diabolo zu jenen alten Gegenständen gehört, die einen mysteriösen ursprung haben:
: En effet le diabolo fait partie de ces objets anciens aux origines mystérieuses

Und was soll das heissen? Ich denke, es ist schlicht so: Wir kennen den genauen Ursprung nicht. Unkenntnis ist für mich noch aber nichts besonders Mysteriöses.

: ou plutôt aux origines dont on souhaite conserver le mystère.

Ich kann so gut wie nicht französisch, deute das aber so, dass der Autor das (behauptete) Mysterium um den Ursprung des Diabolos lieber erhalten als aufklären möchte. Was immer man über den quasisakralen Bezug eines Spielers zu seinem Spielzeug denkt, als ernst zu nehmende historische Quelle qualifiziert sich der Autor der Webseite damit nicht gerade.

Zu seinem Beleg aus der Han-Dynastie (wie auch dem bei Todd Strong zitierten) hätte ich zu gerne mehr Details gewusst. Er schreibt: "Cao Zhi, un célèbre poète a écrit un poème intitulé "Ode to the Diabolo" dans lequel il décrit la maîtrise et les sons que dégagent les joueurs de diabolo." Ok,
das Wort "Diabolo" hat der chinesische Poet sicher nicht verwendet. Ich nehme an, hier ist Kouen-Gen übersetzt worden, was wörtlich genommen einmal nur auf das Geräusch anspielt. Aber hat es sich hier wirklich um ein Diabolo gehandelt? Oder einfach um einen Brummkreisel? Oder beschreibt es der Dichter nicht hinreichend genau, dass man dies entscheiden kann?

Ich frage aus gutem Grund. Kreisel, auch Brummkreisel, sind international wesentlich verbreiteter als das Diabolospiel. Die mangelnde Differenzierung zwischen Kreiselspielen allgemein und dem Diabolo- (oder Jojo- oder Pegtop-)spiel im Besonderen scheint mir die Ursache für manches historische Missverständnis zu sein.

Quellen aus chinesischer Hand, aber übersetzt, sind leider rar. Ich kenne eigentlich nur eine relevante: Fu Qifeng: Chinese Acrobats Through the Ages (Foreign Language Press, Beijing 1985). Die Autorin ist der Meinung, dass das Diabolospiel erst in der Song-Dynastie artistische Disziplin wurde und sich aus einem vorher bereits existenten Spiel entwickelt hat. Ihre Formulierung legt aber nahe, dass das ein Kreiselspiel war, bei dem der Kreisel nicht auf einer Schnur bewegt und balanciert wurde. (Was für mich das Konstituens des Diabolospiels darstellt.)

Fu kann sich hier natürlich irren. Insbesondere gilt ihr Interesse der Artistik und nicht dem bloßen Spiel. Aber literarische Quellen, namentlich belletristische haben ihre Tücken und man muss schon genau hinhören, um historische Schlüsse raus zu ziehen. In Bezug auf das Jonglieren in der griechischen und römischen Antike gibt es hier genug Negativbeispiele.

wolfgang

P. S.: So, jetzt klinke ich mich aber endgültig aus der Diskussion aus. Die Arbeit ruft.


Weitere Antworten:



[ Weitere Antworten ] [ Jonglieren.at: Open Page Archiv ]